Nach über zweijähriger Bauzeit ist die Kapelle am Siebenkreuzerweg in Bad Saulgau am vergangenen Sonntag vom württembergischen evangelischen Landesbischof Dr. Frank July eingesegnet worden. Abhängigkeitserkrankte Patientinnen der Fachklinik Höchsten können durch das reine Spendenprojekt der Zieglerschen zu sich selbst finden und zur Ruhe kommen. Aber auch Menschen, die am Siebenkreuzerweg entlang gehen, finden hier einen Raum und Ort der Stille.
Begleitet von guten Wünschen zahlreicher Gäste und Mitwirkenden, wurde die Kapelle in einer feierlichen Stunde unter freiem Himmel ihrer Bestimmung übergeben. Links der Posaunenchor aus Bad Saulgau, rechts die Schwesternband des Klosters Sießen und in der Mitte Landesbischof Dr. Frank July bei der Predigt. „Es ist das erste Mal in den sieben Jahren als Landesbischof, dass ich eine neu gebaute Kapelle einweihe“, sagte er, als er „in ökumenischer Verbundenheit“ begrüß?te. Diese Einweihung, „vor allem an diesem besonderen Ort mit Ihnen zu erleben“, sei ein Geschenk Gottes.
„Gott benötigt nicht unsere Räume, aber wir benötigen seinen Raum“ sagte July. „Daher freuen wir uns, dass wir heute die Kapelle einweihen: Gottes Wohnung, damit wir Wohnung finden, in Zeit und in Ewigkeit.“ In seiner Predigt bezog er sich auf die Bibelstelle 1 Kön 8, 6 – 12, in welcher von der Bundeslade als uraltes Zeichen der Gegenwart Gottes erzählt werde. Die Lade begleite in diesem Kapitel das Volk Gottes – sie sei immer dabei gewesen. Mehrmals betrachtete July in der Predigt die Frage: „Wo wohnt Gott?“ Wie viele Menschen etwa würden das in der heutigen Zeit fragen? Heute, wo kein Raum mehr für sich selber da sei – wo solle da noch Raum für Gott sein?
Der Glanz und die Herrlichkeit Gottes sei dort, „wo wir anderen Menschen zu neuem Glanz und zu neuer Herrlichkeit verhelfen“, aber auch dort, „wo wir anderen Menschen Raum geben, um zu sich selbst und zu anderen zu finden“, sagte der Landesbischof, nachdem er Irenäus von Lyon mit folgenden Worten zitiert hatte: „Die Ehre Gottes ist der lebendige Mensch.“
Im symbolischen Akt mit dem Landesbischof, Pfarrer Wolfgang Knor, Pfarrer Heiko Bräuning, Pfarrerin Dorothee Schieber und Therapeutin Ruth Seeger bestückten Patientinnen anschließend ihre eigene Bundeslade mit Bibel, Kerze und Engeln. Als Lade diente dabei eine Meditationstafel, auf welcher das Gebetsrad des Bruders Klaus von Flüe aufgebracht war. Mit Gesang zog die kleine Prozession in die Kapelle, wo Landebischof July schließlich den Segen aussprach.
Prof Dr. Harald Rau, Vorstandsvorsitzender der Zieglerschen, sagte: „In einer Zeit, in welcher Kirchen verkauft oder zu Gaststätten umgewandelt werden, ist ein Kirchenbau eher etwas Besonderes.“ Er sei gerührt, wenn ehemalige Patientinnen der Suchthilfe Geld für andere Patientinnen spenden.
Über 1600 Personen und Institutionen hatten durch ihre Spenden ermöglicht, dass dieses Gebäude realisiert werden konnte. Gemeinschaftlicher Sinn und gemeinsames Wirken steckte auch hinter der Einsegnung: Weitere Patientinnen und Mitarbeiter sprachen mit Pfarrer Samuel Hartmann Fürbitten aus. Und sowohl Förderkreis und Freundeskreis der Suchthilfe als auch Landrat Dirk Gaerte und Bürgermeisterin Doris Schröter: Alle hatten mit wohlwollenden Worten zur festlichen Stunde beigetragen. Vielleicht war Sr. Claudia-Maria Mühlherr vom Kloster SieÃ?en eine von vielen, die aussprach, was andere dachten: „Im Namen der Gemeinschaft und im Namen von Sr. Anna Franziska möchte ich allen wünschen, dass sie das erfahren können: Einen Boden, einen Raum und einen Ort, wo einer da ist, der immer auf Sie wartet.“
31.07.2012 | von Katharina Stohr